Various Artists – Fictions zwischen Vintage, Experiment und neoklassischem Ambient im Oktober bei Crammed Discs / Made To Measure

Die Nummer 47 in der „Made To Measure“-Reihe ist von Crammed Discs-Gründer Marc Hollander kuratiert worden. Mit acht neuen Kompositionen und Aufnahmen von Künstler*innen zwischen Vintage, Experiment und neoklassischem Ambient ist das am 14.10.2022 erscheinende Album Fictions eine Hommage an die legendäre Reihe. Alle Kompositionen drehen sich mehr oder weniger eng um das Thema wortlose Dichtungen.

Dabei herausgekommen ist eine faszinierende Sammlung von Tracks und Stimmungen, in denen sich Zusammenhänge zwischen schon früher in der MTM-Reihe veröffentlichenden klassischen Ambient-Komponisten wie Benjamin Lew & Steven Brown oder Stubbleman zu Künstler*innen wie Lucrecia Dalt, Inne Eysermans oder Matias Aguayo, die experimentelles Ambient aus ihrem Pop- oder Club-Hintergrund aus angehen, und einer neuen Generation von Ambient-Komponist*innen wie Kaitlyn Aurelia Smith, Christina Vantzou, Mary Lattimore oder Félicia Atkinson zeigen.

Das Albumcover ist eine Reproduktion eines Gemäldes des renommierten belgischen Künstlers Angel Vergara Santiago. Zwei weitere seiner Werke wurden in den 1980er Jahren schon für Made To Measure-Alben genutzt.

Minibiographien der teilnehmenden Künstler*innen (in Reihenfolge des Albums):

Die Komponistin, Künstlerin und Produzentin Kaitlyn Aurelia Smith lebt an der US-Westküste und hat seit 2015 mehrere von der Kritik gefeierte Alben wie Ears (2016) und The Kid (2017) veröffentlicht. Nach ihrem Studium der Komposition und Aufnahmetechnik und einem frühen Fokus ihrer Arbeit auf ihre Stimme, verliebte sie sich in einen Buchla Synthesizer, den sie von einem Nachbar geliehen hatte und widmete ihre Arbeit fortan der Erschaffung von Klangwelten mit modularen Synthesizern. Sie hat u.a. mit Suzanne Ciani und Emile Mosseri zusammengearbeitet und veröffentlicht im Herbst ein neues Album.

Christina Vantzou arbeitet mit Raum, Klang und Bild von einer Warte der Neugier und Finesse, mit Elektronik und akustischen Instrumenten. Unter ihren Veröffentlichungen sind vier nummerierte Ambient-Klassik-Soloalben, die bei Kranky erschienen sind, das 2020 beim belgischen Label Edições CN veröffentlichte Multi-Natura, ein Ausflug in die abstrakte Elektronik und Feldaufnahmen, zwei Alben mit John Also Bennett als CV & JAB und viele andere Solo- und Ensembleprojekte. In ihrer neuesten Arbeit fokussiert sie sich darauf, zeremonielle und affektive Räume zu formen, in denen Synthesizer, Stimme, Klavier und Elektronik auf manchmal desorientierende oder mutierende Weise die Hörer*innen umhüllen.

Nach einer erfolgreichen Karriere als Produzent und Songschreiber für S’Express, Dido und viele andere widmet sich Pascal Gabriel unter seinem Künstlernamen Stubbleman wieder den elektronischen Klangabenteuern seiner Vergangenheit: Lo-Fi, Filmmusik, Found Sounds, Feldaufnahmen, modulare Synthesizer treffen auf ein oft live gespieltes Klavier,. Zuletzt hat er Musik aus seinem 2019er Made-To-Measure-Album Mountains and Plains mit einem Orchester aus selbst entworfenen, computergesteuerten Automaten aufgeführt. Sein Track für Fictions ist eine Zusammenarbeit mit dem bekannten norwegischen Trompeter Nils Petter Molvær.

Zur Zusammenarbeit von Lucrecia Dalt + Camille Mandoki + Matias Aguayo kam es während eines längeren Aufenthalts im mexikanischen Dschungel. Die hoch geschätzte kolumbianische Musikerin Lucrecia Dalt ist durch eine Vielzahl musikalischer Portale geschritten, um ihr eigenes Universum zu schaffen. Die mexikanische Sängerin und Klangkünstlerin Camille Mandoki erforscht die wildesten Ufer der Katharsis. Bei ihren in der Noise- und Avantgarde-Szene legendären Auftritten arbeitet sie mit verrückt-komplexen Synthesizern. Ihr Publikum gewinnt sie mit ihrer Bühnenpräsenz und ihrer intensiven Stimme. Der alle Genres für null und nichtig erklärende chilenisch-deutsche Komponist und DJ Matias Aguayo hat in seiner unzählige musikalische Grenzen überschritten.

Eine der bekanntesten Vertreter*innen der neo-ambienten Welle ist die in Los Angeles lebende Harfenistin und Komponistin Mary Lattimore. Sie experimentiert mit ihrer Konzertharfe und vielen Effekten. Vier gefeierte Soloalben hat sie veröffentlicht, das letzte davon produziert von Neil Halstead. Sie arbeitet außerdem an Filmsoundtracks, darunter u.a. dem Score für Philippe Garrels experimentellen Stummfilm Le Révélateur aus dem Jahr 1968. Sie hat mit Harold Budd, Thurston Moore, Kurt Vile oder Steve Gunn zusammengearbeitet. Ihre Werke sind vor allem von der Natur inspiriert.

Seitdem Inne Eysermans mit ihrer experimentellen Ambient-Popband Amatorski nach einigen erfolgreichen Alben eine Pause eingelegt hat, beschäftigt sie sich mit Musik und Klangwelten für das Theater, Performances, Installationen und Radio/Podcasts. Vor kurzem begann sie damit, den Klang des World Wide Web zu erforschen. Ihre Arbeiten umfassen das Hören, die Klangökologie und experimentelle Ansätze von Text und Storytelling. Das vorliegende Stück ist eines der wenigen Solostücke, die sie bislang veröffentlicht hat.

Die französische Musikerin, Klanggestalterin und visuelle Künstlerin Félicia Atkinson beschäftigt sich mit abstrakten Kompositionen, die oft Feldaufnahmen und flüsternde Stimmen enthalten, und gibt ihre Bücher wie auch ihre Alben auf Shelter Press heraus, einem von ihr mitbegründeten Verlag. Sie ist von Musiker*innen genauso beeinflusst wie von Romanautor*innen, Lyriker*innern und Filmemacher*innen und tritt regelmäßig bei Festivals für digitale Künste und experimentelle Musik auf der ganzen Welt auf.

Der belgische analoge Synth-Poet Benjamin Lew und der Tuxedomoon-Ko-Frontmann Steven Brown nahmen in den frühen 1980ern zwei Alben auf, die mit ihrer „faszinierenden und doch schwer fassbaren Schrägheit“ (NME, 1983) mit ihrem „großartigen, surrealen, träumerischen, sowohl erdgebundenen wie ätherischen Debüt“ (Pitchfork, 2019) heute so relevant sind wie damals. Ihr Beitrag auf Fictions ergab sich während eines Made To Measure-Abends in Brüssel. Es ist ihre erste Zusammenarbeit seit den 1980er Jahren.

Über Made To Measure:
1984 gründete Crammed Discs die Serie „Made To Measure“ für spannende zeitgenössische Instrumentalmusik. Fünfunddreißig sehr unterschiedliche, musikalisch innovative Alben erschienen innerhalb des ersten Jahrzehnts, oft verwoben mit Ambient Music, Electronica, Minimal Music, experimentellem Avant-Rock, Neoklassik, Kammermusik, Soundscapes und mehr. Der Serientitel war nicht ganz ernst gemeint. Er wollte den Anschein eines Grundgedankens hinter der Serie vermitteln, aber sollte – wie so ziemlich alle aus reiner Neugier und Abenteuergeist entstandenen Crammed-Projekte – letzten Endes zu einer sehr vielfältigen Sammlung werden.

Nur ein kleiner Teil der Serie ist tatsächlich für Filme geschrieben worden, darunter John Luries Originalmusik für zwei Filme von Jim Jarmusch; die Schnittmenge zu anderen Künsten kam häufiger vor: Projekte von Musiker*innen mit bekannten Filmemachern wie Wim Wenders, Bernardo Bertolucci, Tom Tykwer oder Jim Jarmusch, mit Choreograph*innen wie Maurice Béjart, Karole Armitage, Régine Chopinot, Philippe Decouflé oder Modedesigner*nnen wie Yohji Yamamoto oder Rei Kawakubo/Comme des Garçons.

Ein Zitat von Georges Braque diente als Motto: „Eine Zitrone neben einer Orange ist keine Zitrone mehr, eine Orange keine Orange mehr; sie sind zu Früchten geworden. Mathematiker folgen diesem Gesetz. Und das tun wir auch“. Außerdem war die einheitliche visuelle Gestaltung und die fast systematische Nutzung von schon vorhandenen Kunstwerken zur Coverillustration maßgeblich daran beteiligt, dass Musikliebhaber auf der ganzen Welt der Serie folgten und sie bis zum heutigen Tag einen Kultstatus besitzt. Vor einigen Jahren wurde „Made To Measure“ mit neuen Alben reaktiviert. Seit 2021 folgen weitere neue Titel und ausgewählte Vinyl-Wiederveröffentlichungen.

Various Artists
Das Album: Fictions
VÖ: 14.10.2022
Label: Crammed Discs
Vertriebe: Indigo
Bestellnummer: MTM47
Format: CD, LP, digital
EAN CD: 876623008484
EAN LP: 876623008491
Labelcode: 08689

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