Simon Below Quartet mit neuem Album im Oktober bei Traumton

Schon das vor fünf Jahren erschienene Debütalbum Wailing Wind’s Story des Simon Below Quartet ließ aufmerken. So lobte beispielsweise Thomas Mau im WDR3 „das enorme Niveau ihrer Interaktionen.“ Im September 2020 veröffentlichte Traumton Records das zweite Werk der preisgekrönten Band, die u.a. den Grand Prix beim Jazzfestival von Avignon erhielt. Elements Of Space wurde im berühmten La Buissonne Studio im südfranzösischen Pernes les Fontaines aufgenommen, wo auch viele ECM-Produktionen entstanden sind. Die Sendung Tonart des Deutschlandfunk Kultur beschrieb es als „eine spannende Reise, die stets etwas Ungewisses vermittelt“ und resümierte: „ein mutiges und gelungenes Album.“ Im Rahmen der jüngsten Tournee des Quartetts notierte die FAZ im Juni 2023: „Neben listigen Grooves, eingängigen Motiven und harschen Abstraktionen begeistern immer wieder die Variationen von […] atemberaubenden Zuspitzungen und entspannenden Momenten.“

Eine große Spannweite zeigen nun auch die Stücke des dritten Albums Encircled, das am 20.10.2023 bei Traumton veröffentlicht wird. Das Spektrum reicht vom stimmungsvollen Aufmacher „Bliss“ mit seinem lockend melodischen Thema, Klavier-Tupfern und den erst warm timbrierten, dann etwas raueren Saxophon-Modulationen bis zum gut 17 Minuten langen, vielgestaltigen Opus Magnum „Homeward Odyssey“, das betont rhythmisch beginnt, dann immer kammermusikalischere Züge trägt, um schließlich energetisch das Finale zu zelebrieren.

Dazwischen liegen das ruhig-nuancierte „Awakening In The Wood“, dessen beinahe traumverlorener Charakter maßgeblich von Dudeks Querflöte und sanft fließenden Klaviermotiven geprägt wird, sowie „Calm“, das mit einem Duett von luftigem Saxophon und Kontrabass beginnt, später eine kleine Steigerung in Volumen und Dynamik vollzieht, aber insgesamt ebenfalls sehr atmosphärisch bleibt.

Hingegen nähert sich „Occupants’ Code“ in bestimmten Facetten der Ästhetik zeitgenössischer Musik, Dudeks Querflötenspiel lässt hier zudem einige Multiphonics-Ansätze erkennen. Noch zupackender und absichtsvoll etwas nervös klingt „Lake Molten Soil“. Beflügelt von klappernden und offen wirbelnden Drums schwingen sich Saxophon und Synthesizer in zwitschernde Höhen. „Can We Escape?“ beginnt mit einem prägnanten Thema, dessen harmonisch-melodiöser Ansatz von Belows Klavier-Improvisation alsbald unterwandert wird. Umso mehr torpediert Dudek im weiteren Verlauf die ursprüngliche Stimmung mit einem seiner individuellen, in extreme Register und Klangfarben eskalierenden Solos. Seine enorme Dringlichkeit wird von der Band durch wuchtige Einsätze gespiegelt und aufgestachelt.

Zum Abschluss vollzieht das besagte „Homeward Odyssey“ einen eindrücklichen, aber nie irrenden musikalischen Trip: nach rhythmischem, Stakkato-orientiertem Flügel-Intro setzt die Querflöte ein, beide umspielen und verschlingen sich, dann nimmt Below den Druck heraus und gönnt sich eine kleine Auszeit. Es folgt eine längere Flöten-Improvisation, dazu kommen Synthesizer-Miniaturen, raschelnde Besen-Drums und sorgfältig gesetzte Basstöne. Später durchläuft das Stück weitere Metamorphosen, ehe Below in seinem ausdrucksstarken Klaviersolo immer freier wird, tatkräftig unterstützt von Jan Philipps wirbeligem Schlagzeug und Yannik Tiemanns trocken-knurrendem Kontrabass.

Es ist Teil von Belows Album-Konzept sowie einiger Stücke, in sich „keinen durchgängigen Mood vermitteln, in dem man verweilen kann.“ Essenziell sei vielmehr, zusammen zu spielen und „gemeinsam diesen bewussten Zustand von Freiheit zu erreichen, in dem wir auch ad hoc komplett die Richtung wechseln können“, so Below. Sein Selbstverständnis als Band-Leader und Komponist verzichtet darauf, die eigene Person in den Mittelpunkt zu stellen. „Es geht darum, Material zu entwickeln, das uns auf eine neue Ebene heben kann. Dafür habe ich diesmal weniger Noten aufgeschrieben und die anderen stattdessen mit kleinen Anweisungen versorgt. Das können mal mehr oder weniger klar umrissene Bilder sein oder auch strukturelle Vorgaben wie Grooves oder Patterns, mit denen alle flexibel umgehen können und die gleichzeitig zu angeleiteten Improvisationen führen.“ Bei schnelleren Passagen seien diese „Anleitungen“ substanziell, um eine gewisse Ordnung zu bewahren, ohne die persönlichen Einfälle zu sehr einzuschränken. Im Ergebnis würden alle noch mehr aufeinander achten und in die Musik hinein hören, weil diese eben nicht auf dem Blatt vorgegeben ist.

Simon Below Quartet
(Photo Credit: Kilian Amrehn)

Neben der konzeptionellen Entwicklung zeigt Encircled auch klangliche Veränderungen im aktuellen Bandsound. Anders als früher kommt die Querflöte zum Einsatz, gänzlich neu ist der Synthesizer, den sich Below vor etwa zwei Jahren zugelegt hat. Außerdem spielt Jan Philipp mehr Perkussion (beispielsweise unterschiedliche Rasseln) als auf den vorherigen Produktionen.

Nicht alle der sechs eingespielten neuen Kompositionen schafften es aufs Album, zumal im Studio auch noch ungeplante Aufnahmen entstanden. „Am dritten Tag haben wir vor allem improvisiert und haufenweise freie Stücke eingespielt“, erklärt Below die Genese der beiden kurzen Tracks auf Encircled. Andere Titel wurden im Lauf einiger Konzerte 2021/2022 ausgearbeitet, ehe das Quartett im Oktober des vergangenen Jahres ins Rec:Publica-Studio im polnischen Lubrza ging. Dessen ländliche Abgelegenheit kam Below sehr entgegen. „Ich gehe auch zuhause viel raus in die Natur und habe mir vor einiger Zeit sogar deswegen eine Kamera gekauft. Sich beim Fotografieren Zeit zu nehmen im Hier und Jetzt schätze ich sehr.“ Davon abgesehen biete das Studio, das in einer alten Villa eingerichtet ist, weitere Vorteile. „Wir haben live festgestellt, dass wir in größeren Räumen besser zusammenspielen – und Rec:Publica verfügt über einen großen, hohen Raum, der es uns erleichterte, uns wohl zu fühlen und unsere klanglichen Vorstellungen umzusetzen.“

Mit Encircled präsentiert das Simon Below Quartet ein intelligent-ausgetüfteltes wie auch leidenschaftlich-emotionales Album, das abwechslungsreiche Dynamik und variierende Klangfarben stringent vereint. Der Gestaltungswille der Musiker erscheint entschlossener denn je, gleichzeitig wirkt die Mischung aus bewusst einfachen und raffinierten Momenten, subtilen Einsätzen und vitaler Spielfreude ausgesprochen lebendig.

Besetzung:
Simon Below: Flügel, Synth, Kompositionen
Fabian Dudek: Altsaxophon, Querflöte
Yannik Tiemann: Kontrabass
Jan Philipp: Schlagzeug, Perkussion

Hintergrund Simon Below:
Der 28-jährige Jazzpianist Simon Below aus Köln begann schon im Kindesalter mit dem Klavier- und Schlagzeugspiel. Als Teenager entdeckte er den Jazz für sich. 2014 begann er sein Studium an der Kölner Musikhochschule, studierte bei Prof. Hubert Nuss und Prof. Hendrik Soll, und gewann drei Mal bei „Jugend Jazzt NRW“ den ersten Preis, 2017 folgte der „Steinway-Förderpreis NRW“ und 2019 schloss er sein Bachelorstudium mit Bestnote ab.

2016 gründete er das Simon Below Quartett und veröffentlichte mit ihm im Mai 2018 sein Debütalbum Wailing Wind’s Story. Im August desselben Jahres gewann die Band den Avignon-Jazzpreis (Tremplin Jazz D’Avignon). Belows zweites Album Elements Of Space erschien im September 2020 bei Traumton.

Weitere Informationen:
https://www.simonbelow.com/

Simon Below Quartet
Das neue Album: Encircled
Label: Traumton Records
VÖ: 20.10.2023
Label: Traumton Records
Formate: CD, digital
Katalognummer: 4718
UPC: 705304471821
Label Code: 05597

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