Fabian Dudek mit neuem Album im Mai 2025 bei Traumton

Seit 2022 veröffentlicht Fabian Dudek alljährlich ein neues Album und jedes scheint seinen Vorgänger ein wenig zu übertreffen. Die zweite Produktion seines Quartetts, Isolated Flowers, wurde für den Preis der deutschen Schallplattenkritik nominiert, die Jury der Horst und Gretl Will-Stiftung lobte damals unter anderem die „bestechende Mischung aus […] instrumentaler Virtuosität und mehrbödig-eigensinniger Klanggestaltung“. 2023 präsentierte Dudek mit dem Sextett La Campagne das vielschichtige Album Protecting A Picture That’s Fading, dessen „Ereignisdichte in gravitätischen Kompositionen“ (FAZ) ihm eine Nominierung für den Deutschen Jazzpreis einbrachte. Im vergangenen Jahr wurde die Quartett Produktion Distant Skies, We Dream erneut von Presse und Publikum gefeiert. Die Badische Zeitung war von der „sicheren Balance zwischen formaler Strenge und ungebundenem Spiel“ begeistert, NRW Jazz hörte „atemberaubende Musik mit krummen Metren, gegen traditionelle Normen gespielt“ und resümierte: „ein expressiver, dichter, beinahe unlimitierter, zeitgenössischer Jazz der Extraklasse.“

Auch das neue Album This Every Place untermauert den Eindruck, dass Fabian Dudek über einen unerschöpflichen Ideenreichtum verfügt. Gleichzeitig wird sein individueller Sound (als Instrumentalist wie als Komponist) immer konkreter, sein Gestaltungswille weitreichender. Erstmals hat der Bandleader sein Quartett um eine international renommierte Persönlichkeit erweitert, nämlich der Saxofonistin Ingrid Laubrock. „Nach drei Quartett-Alben empfand ich es als ebenso logischen wie spannenden Schritt, jemanden dazu zu nehmen“, erklärt Dudek. „Laubrock war die erste und einzige, die ich gefragt habe, weil sie mich schon seit einer Weile inspiriert, in der Art wie sie spielt und auch, was sie komponiert.“ Offenbar beruht das Interesse auf Gegenseitigkeit, denn das gemeinsame Projekt soll weitergeführt werden. Doch das nur nebenbei.

„Ich hatte ihr meine Kompositionen für ein komplettes Konzert-Programm geschickt und als sie nach Deutschland kam, war sie bestens vorbereitet“, erinnert sich Dudek. Auf zwei Tage Proben folgten zwei Konzerte, in Rüsselsheim und im Kölner Stadtgarten. Letzteres wurde mitgeschnitten, Zeit für weitere Aufnahmen fand sich am nächsten Tag. „Wir hatten das Glück, dass wir unser Live-Setup im Saal stehen lassen und tags darauf einfach weiterspielen konnten, wieder unter Live-Bedingungen, nur eben ohne Publikum.“ Aus den Mitschnitten suchte Dudek vier Stücke von sieben bis achtzehn Minuten Länge aus, die eine intensive, zuweilen energiegeladene und verdichtete, dann wieder transparente Essenz der Aufnahmen bieten.

„Ich möchte nicht, dass die Alben extrem lang werden“, erklärt Dudek und vergleicht sie mit seinen Erfahrungen in Museen: wenn die Ausstellung zu groß werde, sei der erste Eindruck am Ende schon wieder vergangen. „Grundsätzlich möchte ich die Menschen mit der Musik erreichen, dabei Interpretationsspielräume lassen und Angriffsflächen bieten, aber die Hörerinnen und Hörer nicht zuschütten.“ Tatsächlich sind die Kompositionen und Improvisationen auf This Every Place so gehaltvoll, dass sie beim wiederholten Hören immer neue Details offenbaren.

Erste Eindrücke vom Album kann man hier erhalten:

https://www.traumton.de/records/playlist/this-every-place/

Noch nie habe er für zwei Saxofone geschrieben, sagt Fabian Dudek, daher habe er sich anfangs auch mit der Frage beschäftigt, wie sich die Erweiterung auf das Gefüge seiner seit 2018 bestehenden Band auswirkt. Der vermeintlich herausfordernde Kompositionsprozess sei dann aber doch recht unkompliziert und überwiegend intuitiv abgelaufen. Einige der neuen Stücke wurden in der Folge schon im Quartett ausprobiert und -formuliert, noch ehe Laubrock zur Band stieß.

„Kurz vor dem Schreiben war ich zwei Mal in New York, daher haben drei der vier Stücke einen ziemlich direkten Bezug zu der Stadt“, erzählt Dudek. Zum Auftakt des Albums reflektiert „Ice House Celebration“ ein Erlebnis in einer Bar in Brooklyn. „Eine Gruppe von Leuten setzte sich zu uns an den Tisch und es stellte sich heraus, dass sie aus verschiedenen Orten zusammengekommen waren, um den Tod eines Bekannten zu gedenken. Dieses Treffen wirkte natürlich traurig, aber auf eine gewisse Art auch schön.“ Hier ist Ingrid Laubrock am Sopran-Saxofon zu hören, während sie in allen folgenden Stücken Tenor spielt. Ebenfalls eine Bar-Erinnerung, wenngleich in einer ganz anderen Stimmung, ist „Streetlight Dawn“, dessen Name von einem Cocktail in Manhattan stammt – „es war ein guter Abend“, grinst Dudek.

Fabian Dudek
(Photo Credit: Niclas Weber)

Für das anfänglich fast eingängige „Beach“ bedient sich der Komponist listig einiger Akkorde, die einst von den Beach Boys in „Surfer Girl“ verwendet wurden. Dudek abstrahiert sie recht stark und bald drehen die Saxofone in eine andere, angespanntere Richtung. Trotzdem leuchten auch später wieder sommerliche Assoziationen auf. Das umfangreichste Stück der CD, „Where Thoughts Provoke“, ist von einem Gemälde Henry Taylors im Whitney Museum inspiriert. „Hier habe ich eine andere Kompositionsweise angewandt, teilweise auch nur Anweisungen statt Noten aufgeschrieben. Aber nicht nur deswegen ist es offener. Es gibt mehrere Ideen, die sich kombinieren lassen und nicht linear ablaufen müssen, diese ‚Bausteine‘ sind flexibel kombinierbar. Daher klingt das Stück immer anders und vermutlich nie wieder so wie auf der Platte.“

Schon auf dem letztjährigen Album fielen die fließenden, sich stetig wandelnden Rhythmen Dudeks auf. Dieses Konzept „morphender Grooves“, die von Takt zu Takt andere Gestalt annehmen, findet sich auf dem neuen Werk wieder. Wichtig ist Dudek das Spannungsverhältnis zwischen Flüssen und experimentellen Kontrasten. Und dass der Flow zu spüren ist, obwohl man die komplexe Rhythmik vielleicht nicht vollständig zu analysieren vermag. „Distant Skies… hat das Fass aufgemacht, durch den Umstieg auf E-Bass und den stärkeren Einsatz des Synthesizers. Auf diesem Fundament haben wir nun mit Ingrid aufgebaut und, teils ad hoc, neue Formen kreiert.“

Eine etwas andere Struktur nutzt „Streetlight Dawn“ und zeigt, so Dudek, einen weiteren Weg in die Zukunft. In den Grooves und klaren 4/4-Takten am Anfang und Ende des Stücks finden sich Hip Hop-Einflüsse, die der Musik eine nahbarere Ausstrahlung verleihen. „Es ist mein erstes Experiment in diese Richtung, hin zu spontan erfassbaren Formen. Aber zwischendrin entführe ich dann doch wieder in ein etwas undurchschaubareres Labyrinth. Mein Ziel ist eine Mischung, die Spaß macht und gleichzeitig Brücken zum Abstrakten schlägt, die alle Menschen einlädt, sie zu begehen.“

Musik, die emotional und durch intellektuelle Raffinesse anspricht, die unterhaltende Aspekte bietet und gleichzeitig eine Kunstform darstellt. Das schwebt Fabian Dudek vor und wird von This Every Place eingelöst. Mit seinen klugen bis ausgefuchsten Kompositionen, extrem aufmerksamen und variablen Mitspielern sowie enorm ausdrucksstarken Saxofon-Duetten mit Gast-Star Ingrid Laubrock setzt er erneut markante Zeichen in die zeitgenössische internationale Musiklandschaft.

Besetzung:
Fabian Dudek: Alt-Saxophon, Querflöte, Komposition
Ingrid Laubrock: Sopran- und Tenorsaxophon
Felix Hauptmann: Klavier, Synthesizer
David Helm: Bass
Fabian Arends: Schlagzeug

Weitere Informationen: http://www.fabiandudek.de

Fabian Dudek
Das neue Album: This Every Place
VÖ: 09.05.2025
Label: Traumton Records
Vertrieb: Indigo
Formate: CD, digital
Katalognummer CD: 4732
UPC: 705304473221
LC: 05597

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