Bitteschön, Philophon! Vol. I mit den 7″es des Berliner Labels im Dezember 2018

Irgendwann 2013 dachte sich Schlagzeuger Max Weissenfeldt: „Da ich mir nun mein Hobby zum Beruf gemacht habe, brauche ich jetzt eigentlich einen Beruf als Hobby!“ Das war der lautlose Urknall zu seinem Label Philophon.

„Philophon – aus Liebe zum Ton“, das klingt in etwa wie der Slogan eines mittelständischen Unternehmens aus den 1980ern. Egal, denn er übersetzt einfach nur, was Philophon bedeutet:

Philo- (Präfix) griechisch phílos = freundlich; Freund
Wortbildungselement mit der Bedeutung „Freund, Verehrer (von etwas), Liebhaber, Anhänger; Liebe, Verehrung, Neigung (zu etwas), wissenschaftliche Beschäftigung“ (z. B. philosophisch, Philologie, Philharmonie)

-phon (Suffix) griechisch phōnḗ = Laut, Ton, Stimme
Bestimmungswort in Zusammensetzungen mit der Bedeutung Laut, Ton; einen Laut, Ton, eine Sprache betreffend, z. B. Grammophon, Saxophon; anglophon, polyphon

Philophon (Substantiv) = Freund des Tones, Tonverehrer, Tonliebender

Max Weissenfeldt in seinen eigenen Worten zur Gründung des Labels:
„Den Namen Philophon und die Lust ein Label zu machen hatte ich schon Jahre in meinem Herzen mit mir herumgetragen, nur die Voraussetzungen, um Philophon zu starten, waren damals noch nicht gegeben. Das war die Zeit, wo ich quasi auf Endlostour mit der Krautrocklegende Embryo war.

Erst mein Umzug von München nach Berlin brachte die entscheidende Wendung. Ich heuerte dort bei der Gamelan Gruppe des indonesischen Komponisten Gutama Soegijo an und genau zu dieser Zeit wurde in seinem weiträumigen Atelier ein Raum frei, der mir zur Untermiete angeboten wurde. Hier hatte ich nun einen Ort gefunden, an dem ich etwas aufbauen konnte. Schon bald fing ich zusammen mit Stibbo Spitzmüller als Techniker an, erste Aufnahmeexperimente zu machen. Das war so um 2012 herum. Stibbo brachte einen Haufen altes Edelequipment mit: Telefunken, Neumann, Siemens… – vor lauter glühenden Röhren mussten wir im Winter nicht zusätzlich heizen!

Max Weissenfeldt im Studio (Photo Credit Max Weissenfeldt)

Zu dieser Zeit war ich auch viel in Ghana unterwegs und fing an, dort Gesang über unsere Sachen aufzunehmen – unter anderem mit Roy X alias Jimmy Taylor, dem jüngsten Sohn der Highlife-Legende Ebo Taylor. Während meiner Reisen durch Ghana entdeckte ich auch den Kologo-Virtuosen Guy One und den Frafra-Gospel-König Alogte Oho. Zurück in Berlin hatte ich nun wunderbare Aufnahmen von diesen drei Talenten in der Tasche – die Lust, sie selbst zu veröffentlichen, war groß.

Ich machte schon früh Erfahrungen mit Labelarbeit. Mein Bruder Jan initiierte Anfang der 1990er „Hot Pie & Candy Records“, unser bandeigenes 7“ Label. Ende der 90er holte uns der große Musikenthusiast Philippe Lehman, Spross der Lehman Brothers Dynastie, unter fürstlichen Umständen nach New York, um beim Aufbau der dortigen Funk-Szene zu helfen. Philippe stand Pate für Desco Records, woraus Daptone, Soulfire und Truth & Soul Records hervorgingen. Ich konnte hautnah den Strukturierungsprozess der jungen Labels erleben, wir wohnten später sogar im Rohbau der Daptone Studios in Bushwick. Ich schlief in dem Raum, in dem Amy Winehouse später ihre Hits einsang!

Zurück zu Philophon: Ich machte ein paar Behördengänge, konnte einen Vertrieb überzeugen und so kamen im Frühling 2014 die ersten drei 7“-Singles von Guy One, Alogte Oho & his Sounds of Joy und Roy X auf den Markt. Im weiteren Verlauf haben Legenden wie Hailu Mergia, Alemayehu Eshete, Idris Ackamoor & The Pyramids und Jimi Tenor auf Philophon veröffentlicht. Inzwischen ist Philophon mehr als ein Hobby. Erst kürzlich habe ich herausgefunden, dass sich unser Studio/Büro/ Lager im Berliner Muttergebäude von Parlophon (damals noch ohne „e“), dem späteren Beatles-Label, befindet. Parlophon – Philophon, vielleicht findet ja die nächste Revolution auf meinem Label statt?“

2018 reifte die Idee, die bislang schon veröffentlichten 7“-Singles sowie neue Mixe einiger Stücke zu einem Album zusammenzufügen und diese findet man nun gemeinsam mit einem bislang unveröffentlichten Stück der Polyversal Souls namens „Portrait of Alemayehu (Daytime)“ auf der vorliegenden Compilation, die am 07.12.2018 veröffentlicht wird. Mit „Estre“ von Guy One gibt es außerdem einen veritablen Radiohit aus Frankreich auf dem Album und nicht fehlen darf der Song „Invisible Joy“ von Bajka, über den Max mit einem Augenzwinkern sagt, er wäre so etwas wie die Labelhymne.

Hintergrund Max Weissenfeldt:
Die Süddeutsche Zeitung nannte ihn in einem Porträt einen „der interessantesten deutschen Musiker der Gegenwart“. Wer ist Max Weissenfeldt?

Max mag schon mit Dr. John – dessen mit einem Grammy ausgezeichnetes Album Locked Down er zu einem sogenannten „Groove Monster“ gemacht hat – oder Lana Del Rey, mit Embryo oder den Heliocentrics im Studio oder auf Bühnen in der ganzen Welt gestanden haben, aber die erste musikalische Liebe des Schlagzeugers galt zu Beginn seiner Laufbahn dem rohen afro-amerikanischen Local-Funk in all seinen unterschiedlichen Facetten, wie er auf abertausenden 7“ Singles der zweiten Hälfte der 1960er dokumentiert ist.

Sein erstes Projekt, das im Teenageralter gemeinsam mit seinem Bruder Jan im elterlichen Keller in München entstand, war die von jenem 1960er Funk und Soul inspirierte Band Poets of Rhythm, die bald ein weltweites Funk-Revival auslösen sollte: „Ohne die Poets of Rhythm“, zitiert die Süddeutsche Zeitung Daptone-Gründer Gabe Roth, „wäre die Popgeschichte womöglich anders verlaufen. Wir hätten ohne sie nie den analogen schmutzigen Funk von Sharon Jones und Amy Winehouse geschaffen.“

In den frühen 2000er Jahren veröffentlichte die Band das Album Discern/Define, das den puristischen Ansatz der ersten Jahre aufbrach und experimentierfreudiger und eigenständiger mit dem Thema Funk umging. Parallel zu den Poets of Rhythm erfanden die Weissenfeldt Brüder die Whitefield Brothers. Ihr Debüt In The Raw ging noch einen Schritt weiter in Richtung afropsychedelische Trips und auf Earthology – für Max der Höhepunkt des gemeinsamen brüderlichen Schaffens – ist der Name Programm: auf dem Album gleiten die Brüder auf Basis ihres „Trademark Grooves“ quasi einmal um die Welt.

Schon in den späten 1990ern war Max Mitglied von Embryo geworden und spielte mehr als 500 Konzerte mit der legendären Band. Es folgten Reisen nach Südostasien, wo er klassische Saing Waing Musik in Burma studierte, eine Zeit in London bei den Heliocentrics sowie bei dem früheren Schlagzeuger des Sun Ra Arkestras, Marvin „Bugalu“ Smith, in den USA.

Mit einer ersten Reise nach Ghana im Jahr 2010 folgte der entscheidende Schritt zur Gründung des Labels Philophon. Um die Musik seiner ghanaischen Partner einspielen zu können, formte Max eine in Berlin beheimatete Band namens The Polyversal Souls, bestehend aus Musikern, die Max‘ Entdeckungslust für Klänge aus aller Welt teilten. Invisible Joy, das Debütalbum der Polyversal Souls ist somit Kapitel Zwei von Earthology – und Bitteschön, Philophon! Vol. I nun Nummer Drei.

Zwei Tourneen der Polyversal Souls in Ghana folgten im Jahr 2014, darunter war ein im nationalen Fernsehen ausgestrahlter Auftritt mit den Künstlern Guy One und Alogte Oho Jonas, beide Schlüsselfiguren der Musikszene in Nord-Ghanas kultureller Hauptstadt Bolgatang. 2016 kamen Auftritte in Nigeria, Benin, Togo, Ghana und der Elfenbeinküste dazu, bei denen Guy One und Florence Adooni die Polyversal Souls begleiteten. Eine Europatournee mit Guy One folgte.

Weitere Informationen:

http://philophon.com/

VARIOUS ARTISTS
Bitteschön, Philophon! Vol. I
VÖ: 07.12.2018
Label: Philophon
Vertrieb: Groove Attack
Katalognummern: PH33004 Vinyl / PH33004CD / PH33004DD
Formate: LP/CD/DD
EAN-Nummern: Vinyl: 5050580698444 / CD: 5050580698468 / Download: 5050580698451
Labelcode: 33620
File Under: Local Music, Ethio Jazz, Roots Reggae, Highlife, Traditional

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