Mélissa Laveaux mit neuem Album im März 2018

April 2016: die in Kanada lebende Singer-Songwriterin und Gitarristin Mélissa Laveaux reist auf der Suche nach ihren Wurzeln und aus Ehrerbietung für ihre Vorfahren nach Haiti. Im Alter von zwölf Jahren war sie mit ihren Eltern zum letzten Mal auf der Insel und fühlt sich daher wie eine Fremde. Gleichzeitig erlebt sie aber auch die freudige Erregung des nach Hause zurückkehrenden Exilanten, denn Haiti ist und bleibt ein unauslöschlicher Teil ihrer Identität.

Mélissa wurde als Kind haitianischer Eltern, die als Studenten vor dem Regime von Diktator François Duvalier geflohen waren, in Montreal geboren und wuchs in Ottawa auf. Sie verfügt nur über ein dürftiges Kreolisch-Vokabular, dessen metaphernreiche Ausdrücke und lebhafte Redensarten sie während der Ferngespräche ihrer Mutter mit ihren Tanten aufgeschnappt hat. Im kanadischen Exil klang der Ruf von Haitis kulturellem Erbe für Mélissa wie eine verzerrte Stimme aus einem sich außer Reichweite befindlichen Radiosender, dessen Worte und Klänge sie nur bruchstückhaft hört. So weiß sie zu Beginn ihrer Reise noch nicht, welche musikalischen Inspirationen ihre Pilgerfahrt bringen würden, wird aber schnell über ihre intensive Beschäftigung mit den Folksongs der Insel von der Tiefe und Opulenz ihres kulturellen Erbes verführt.

Mélissa kehrt mit einem Kopf voller Klänge, Melodien, Stimmungen und Geschichten aus fernen Tagen nach Kanada zurück, die sich zu einer Tracklist reich an Allegorien und einer für Haitis Lyrik und Musik charakteristischen Symbolik des Widerstands entwickeln. Aus diesen Elementen erschafft sie ein Album namens Radyo Siwèl (VÖ: 23.03.2018), das von haitianischer Geschichte und Kultur durchdrungen, aber zugleich sehr persönlich und intim ist: „Radyo Siwèl is very important to me because there’s the whole part about remembering your ancestry and honouring your ancestors and elders,” so Melissa Laveaux, „I’m getting reacquainted with parts of my heritage my parents left out when they were raising me.”

Bei der Ankunft in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince hat Mélissa die Stimme der legendären Schriftstellerin, Komponistin, Sängerin und Bürgerrechtsaktivistin Martha Jean-Claude im Ohr, deren Platten in Kindertagen ihr karibischer Soundtrack in der beißenden Winterkälte von Ottawa waren. Martha Jean-Claude wurde 1952 nach Veröffentlichung eines Theaterstücks verhaftet, musste nach einem Gefängnisaufenthalt ihre Heimat Haiti verlassen, und verbrachte danach 34 Jahre im kubanischen Exil, wo sie voller Sehnsucht die Lieder ihrer Heimat sang.

Mélissa fühlte eine große Affinität zu Martha und sie wurde zu einer beständigen Präsenz in Mélissas Träumen über das Land ihrer Vorfahren. Folglich war ihr erster Ansatz, Radyo Siwèl zu einer Platte voller Coverversionen von Martha Jean-Claudes Songs zu machen. In Haiti angekommen, entwickelt sich das ursprüngliche Projekt aber in eine vorher nicht geplante Richtung.

In einem Kulturzentrum von Port-au-Prince erhält Mélissa einen für sie unschätzbar wertvollen Zugang zu Aufnahmen und Notizbüchern mit alten, in der verworrenen Geschichte des Landes sich immer wieder neu erfindenden Folksongs. Dort sucht sie besonders nach Stücken, die im Widerstand gegen die Besetzung der Insel durch die USA zwischen 1915 und 1934 gesungen wurden oder gesungen worden sein könnten. In dieser Zeit litt die „Erste Schwarze Republik“, die sich von der Sklaverei emanzipiert und ihre Unabhängigkeit von Frankreich erkämpft hatte, unter der repressiven Präsenz einer neuen und ungewollten Kolonialmacht.

Untrennbar verbunden mit dem Widerstandsgeist war die Präsenz von Voodoo und seinen vielen Loas, Gottheiten, die angerufen wurden, um die Haitianer zu beschützen und ihnen im Kampf gegen die Unterdrücker zu helfen.

Während dieser dunklen Jahre wurden Martha Jean-Claude wie auch die ebenso legendäre Sängerin Emerante de Pradines geboren. Beide nahmen mit „Dodo Titit“ ein traditionelles haitianisches Wiegenlied auf, das Mélissa auf ihrem ersten Album Camphor & Copper vor einem Jahrzehnt gecovert hatte. Mit seiner tiefen Verwurzelung in der Seele Haitis war „Dodo Titit“ wohl die erste Knospe für das neue Album Radyo Siwèl, dessen Songs und Geschichten die reifen Früchte an einem Baum sind, der nach Mombinpflaumen (= Siwèl auf Kreolisch) benannt ist.

Einige der Stücke auf dem Album sind so alt, dass niemand mehr ihre Autoren kennt. Sie wurden über nicht sesshafte Troubadoure und als Bann’ na Siwel bekannte Orchester von Dorf zu Dorf weiterverbreitet. Mélissa interpretiert ihr haitianisches Erbe allerdings mit einer Indie-Rock-Ästhetik – sie nimmt traditionelle Melodien, Voodoohymnen, Wort- und Songschnipsel aus den alten Liederbüchern und näht sie wie in einem Patchwork aus sich überkreuzenden Identitäten wieder zusammen. Über ihre Herangehensweise sagt sie in einem Interview mit Vladimir Cagnolari: „When you’re a refugee, no one has to know where you come from. You can build another past, to shape the future you’re wishing for. That is where I felt I could be free – choosing the elements and moulding them together to tell a story. That’s how I worked with these parcels extracted from Haitian heritage. The spirits don’t seem displeased with my actions or approach, hopefully it will stay that way.”

Das Album wurde in nur fünf Tagen eingespielt und Mélissas unverwechselbare Stimme und geschmeidiges Gitarrenspiel werden von Kobo Town-Bandleader Drew Gonsalves aus Trinidad an der Gitarre und Cuatro grandios unterstützt. Das französische Produktionsteam A.L.B.E.R.T. sorgte dafür, dass der Sound sich anhört wie live eingespielt.

Weitere Informationen:
https://www.facebook.com/melissalaveauxoff

MÉLISSA LAVEAUX
Das neue Album: Radyo Siwèl
VÖ: 23.03.2018
Label: No Format
Formate: CD, Vinyl, Download
Vertrieb: Indigo
UPC CD: 3700551782239
Katalognummer CD: NF40
UPC LP: 3700551782222
Katalognummer LP: NF40LP
Labelcode: tbc

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